Echte Nylons schmückten schon die Beine von Dolores
Feine Strümpfe waren einst aus Seide. Ein teures Naturmaterial, das recht bald durchscheuerte. Bis Anfang der Dreißiger Jahre war Japan Hauptexporteur großer Mengen von Seide. Die Vereinigten Staaten wollten sich nicht dauerhaft von japanischen Seidenimporten abhängig machen.
Etwas Stabileres wurde deshalb gesucht. Eine Faser, die ebenso wie Seide dehnbar, durchsichtig, dabei aber günstiger herzustellen und deutlich widerstandsfähiger war. 1935 gelang es dem amerikanischen Chemiker Wallace Hume Carothers, Forschungsleiter des Chemiekonzerns DuPont, das Nylongarn zu entwickeln. Damit hatte man endlich ein Material gefunden, dass sich für Feinstrumpfhosen ideal eignete. Anfangs überschätzte man die neue Faser und war sogar so optimistisch, zu glauben, die Zeit der Laufmaschen sei damit endgültig überwunden.
Echte Nylons wurden schnell zum Kult. Die ersten serienmäßig gefertigten Exemplare waren in wenigen Stunden ausverkauft. Frauenbeine sahen darin besonders schlank und elegant aus. Aufgrund ihrer Elastizität warfen sie keine Falten und waren angenehm zu tragen und leicht zu waschen. Sogar ein alter Grammophon-Schlager besang sie: „Was ist nur an den Beinen von Dolores, die euren Männern den Kopf verdrehn?…“ Da die Rundstrickmaschine erst später erfunden wurde, trugen die erste Nylonstrümpfe noch die typische durchgehende Naht an der Rückseite, die absolut gerade sitzen musste, sollten die Beine nicht „krumm“ aussehen und die heute nur noch aus modischen Gründen gelegentlich wieder aufgegriffen wird.
Eine ähnliche Erfindung gelang drei Jahre später auch dem deutschen Chemiker Paul Schlack. Er stellte eine Polyamidfaser her, die unter dem Namen „Perlura“, später dann als „Perlon“ bekannt werden sollte. Aufgrund einer chemisch anderen Zusammensetzung stellte diese Faser keine Patentrechtsverletzung des Nylons dar.
Im Krieg wurden Nylon und Perlon als kriegswichtige Güter eingestuft und waren dadurch im freien Handel kaum noch erhältlich. Die Fasern wurden nun für Zelte, Fallschirme und dergleichen eingesetzt. Gelangten doch einmal Strümpfe in den Handel, schlug man sich nahezu darum.
Feine Kunstfaserstrümpfe brachten Frauenbeine so vorteilhaft zur Geltung, dass man sie imitierte, als sie in Kriegs- bzw. Nachkriegszeiten schwer erhältlich waren. Sie wurden mit Kaffeesatz oder Farbe auf die Beine aufgemalt. Die Naht wurde mit Augenbrauenstift imitiert. Angesichts solcher Beliebtheit wundert es nicht, dass Nylonstrümpfe in der Besatzungszeit nach dem Zweiten Weltkrieg als „Wunderwaffe“ amerikanischer Soldaten bei der Eroberung deutscher Frauen galten. Nylons waren auf dem Schwarzmarkt zeitweise eine regelrechte Ersatzwährung. Wer sie hatte, konnte dafür viel eintauschen. Amerikanische Care-Pakete nach Deutschland enthielten häufig Nylonstrümpfe. Man hütete sie wie einen wertvollen Schatz. Selbst Laufmaschen wurden in Fachbetrieben liebevoll wieder repariert.