Klamotten wie im Mittelalter – Die Sehnsucht nach alten Zeiten als modischer Trend

„Früher war alles besser!“ – Diesen Spruch haben wir alle schon oft gehört. Mal als resignierenden Seufzer angesichts moderner Herausforderungen, mal im Brustton der Überzeugung, wenn wieder ein modernes Gerät kurz nach Ablauf der Garantiezeit seinen Dienst quittiert hat.

Früher, das kann vieles heißen: Einer meint damit die Zeit, als man sich noch Briefe anstatt Mails schrieb. So richtig mit Tinte auf Papier und mit einer bunten Briefmarke auf dem Umschlag. Ein anderer denkt an Autos, die noch ohne elektronischen Schnickschnack auskamen, wo man vieles noch selbst reparieren konnte. Wieder andere wünschen sich die Mauer zurück, weil sie der Überzeugung sind, dass die Zeiten für sie damals besser waren. Und einige meinen mit „früher“ ganz einfach eine Epoche besserer Qualität, als Gegenstände noch solide aus handfesten Materialien wie Holz, Metall, Gummi und Leder gefertigt wurden und über Generationen funktionierten, während heute fast alles aus Plastik ist und nach kurzer Zeit auseinander fällt.

Überall läßt sich, als Resultat dieser Rückbesinnung, die intensive Pflege alten Brauchtums beobachten. Ob Schützenfest oder Heimatverein. Hier werden ungezählte Uniformen und Trachten originalgetreu überliefert und an die nächste Generation weitergereicht. Regelmäßige Feste halten die Erinnerung wach. Auch das weltweit bekannte Oktoberfest ist alljährlich eine Vorführung regionaltypischer Gewandungen. Angefangen von der bayerischen Lederhose über das Dirndl, bis hin zum Hut mit dem obligatorischen Gamsbart am Hutband.

Und dann gibt es die, die sich noch viel weiter in die Vergangenheit zurück sehnen. In eine Zeit, die sie nicht mehr selbst erlebt haben, die sie nur aus Büchern und Berichten kennen und von der sie dennoch fasziniert sind. Ein Zeitalter, in dem es noch neue Kontinente zu entdecken gab, als man sich noch zu Pferde fortbewegte, als das Essen noch im Wald erlegt werden musste und wo man Streitigkeiten noch im Duell austrug. Wo Landstraßen noch nicht sicher waren, weil jederzeit Räuberbanden im Gebüsch lauern konnten.

Um diese Sehnsucht hat sich eine feste Fangemeinde gebildet die ständig wächst. Man verabredet sich zu Rollenspielen im möglichst originalgetreuen Ambiente jener Zeit, lebt und spielt szenisch das damalige Dasein nach, soweit man es aus überlieferten und erhalten gebliebenen Informationen rekonstruieren kann. Mittelalterfeste, Mittelaltermärkte und Rekonstruktionen ganzer Dörfer und Burgen laden alljährlich zu zahlreichen Spektakeln. Stilecht berauscht man sich an Met, anstatt Bier zu trinken. Die Taschenlampe bleibt daheim, statt dessen verwendet man Laternen. Und wer mit Filterzigarette oder gar Handy erwischt wird, riskiert einen Platzverweis.

Um in dieser Szene stilgerecht auftreten zu können, braucht es natürlich das richtige Outfit. Begriffe wie Gothic, Celtic und Wikinger stehen für einzelne Stile. Aussenstehende würden vielleicht von Verkleidung, Kostümierung oder Karneval reden. Für die Akteure ein böser Frevel, denn sie nehmen ihre Gewandung sehr ernst. Alles soll so authentisch wie möglich rüberkommen. Deshalb gibt man sich viel Mühe; außerdem werden bei vielen Events die besten Gewänder sogar prämiert.

Ob Tunika, Gugel, Cape oder Waffenrock, Seeräuberhemd oder Ritterrüstung. Auf die Authentizität kommt es an. Billiger Karnevalsfirlefanz ist da nicht gefragt. Schon die verwendeten Materialien sollten stimmen. Damals gab es eben noch kein Polyacryl und ein Reißverschluss, Druckknopf oder Klettverschluß ist sowieso verpönt. Den hatten weder Knappen noch Edelleute. Rüschen und edle Brokatverzierungen sehen dagegen hoch im Kurs. Ob Magd, Bote, Landsknecht, Seeräuber, Kutscher, Baumeister oder Geistlicher; jeder versucht sein Bestes, um der Figur, die er verkörpert, so nahe wie möglich zu kommen.

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