Androgyne Mode: Warum einfach, wenn’s auch vielfältig geht?

Weiblich, männlich – oder beides? Wer sich für einen androgynen Kleidungsstil entscheidet, muss sich nicht entscheiden. Oder nur insofern, als die Frage aufgeworfen wird, was die spannendste Mischung ist, die beide Seiten der eigenen Erscheinung am besten betont. Zwar ist es für viele Leute noch etwas gewöhnungsbedürftig, wenn Frauen zu Hemd, flachen Schnürschuhen, Hosenträgern und Herrenhut greifen oder Männer im Abendkleid mit High Heels unterwegs sind. Aber seien wir doch einmal ehrlich: Wenn es jemand tragen kann, warum nicht? Und warum sollte man nicht auch einfach alles mischen, wenn man Lust dazu hat? Starre Gender-Rollen waren gestern, jetzt wird ausprobiert, was sämtliche Kleiderschränke hergeben!

Was bedeutet eigentlich „androgyn“? Und was ist der Unterschied zu „unisex“?

Der Begriff ‚androgyn‘ setzt sich aus den griechischen Worten ‚anér‘ (Mann) und ‚gyné‘ (Frau) zusammen. Er bezeichnet also eine Person, die gleichermaßen männliche und weibliche Attribute besitzt. Diese Attribute können sich einerseits auf die Geschlechtsidentität, andererseits lediglich auf das Aussehen beziehen. (Und in diesem letztgenannten Zusammenhang wird er tatsächlich auch meistens genutzt).

Interessanterweise gilt Androgynität in der Umgangssprache tendenziell als Uneindeutigkeit; doch trifft diese Definition eher auf ‚unisex‘ zu. Bei einem Unisex-Styling geht es darum, männliche und weibliche Attribute so weit wie möglich zurückzudrängen und auszublenden. Bei einem androgynen Look hingegen stehen das Spiel und die Betonung beider Facetten im Mittelpunkt. Somit lassen sich gleichzeitig eindeutig männlich und weiblich konnotierte Kleidungsstücke im Holzschrank finden. Und dass dies nicht nur leidlich funktionieren, sondern für positive Furore sorgen kann, das bewiest beispielsweise Marlene Dietrich, aber dazu gleich noch etwas mehr.

Ein neues Konzept? Nicht ganz

Wenngleich es uns zuweilen so vorkommen mag, als wäre da eine ganz neue Idee vom Himmel gefallen, ist dem – wieder einmal – nicht so. Tatsächlich befassten sich diverse alte Hochkulturen im Mittelmeerraum, in Mittelamerika und in China mit doppelgeschlechtlichen Wesen. Ob (Schöpfer-) Gottheiten, die von ihnen geschaffenen Menschen oder andere mythologische Figuren – die kulturelle Welt ist voll von ihnen. Obwohl man der Ehrlichkeit halber zugeben muss, dass diese Vorstellung nicht überall auf der Welt zu existieren schien. Es wäre ja auch wirklich überraschend, wenn sich alle Menschen einmal komplett einig wären.

Und so ist es kein Wunder, dass die ‚Bewertung‘ der androgynen Gestalten unterschiedlich ausfällt:

  • Mal gelten sie als unnatürlich und wider die Moral,
  • manchmal passen sie genau in die Moralvorstellungen, weil sie die Balance zwischen weiblich und männlich gekonnt halten und
  • zuweilen sind sie sogar die perfekte Mischung und stehen durch diese Vollkommenheit über anderen Menschen.

Lange Rede, kurzer Sinn: Die Konzepte und die mit ihnen verbundenen Urteile über androgyne Wesen sind vielfältig – und dabei macht selbst ihre Entstehungsgeschichte keine Ausnahme. Besonders erwähnenswert sind dabei zwei verschiedene Ansätze. Einmal der, bei dem ein einheitliches Wesen in eine Frau und einen Mann aufgespalten wird. Und dann der etwas seltener zu findende, bei dem Weiblichkeit und Männlichkeit in einem Wesen aufgehen.

Logischerweise haben sich auch die alten Griechen (wie es ja schon der Wort-Ursprung der Androgynität beweist) diesbezüglich Gedanken gemacht – in Form von Platons Kugelmenschen. Diese waren sowohl rein weiblich-, rein männlich- oder eben gemischt-geschlechtlich (andrógynoi) und hatten ihre Wurzeln entweder in der Erde, in der Sonne oder im Mond. Doch weil es sich die Kugelmenschen mit Zeus verscherzten, halbierte er sie zur Strafe. Die Folge: Die Suche nach der anderen, nun fehlenden Hälfte…

Dress like a Diva – berühmte androgyn gekleidete Ladys und Herren

Wer kennt sie nicht? Marlene Dietrich, mit einem weißen Hemd, einem Smoking und einem Zylinder bekleidet, die sie mit roten Lippen und einem verführerischen Blick ergänzte. Und auch Armee-Uniformen oder die Kombination aus Hemd und Marlene-Hosen standen ihr unfassbar gut. So gut, dass die Hose in den 1930er Jahren zu ihrem Markenzeichen wurde.

Was man sich heute vielleicht kaum mehr vorstellen kann: Es war absolut keine Selbstverständlichkeit, dass Frauenbeine in Hosenbeinen steckten! Coco Chanel konnte davon ebenfalls ein Lied singen und musste sich ziemlich viele unschöne Sachen anhören, als sie sich dafür entschied, Hosen für Frauen in ihr Portfolio aufzunehmen. Doch die damit verbundene Freiheit und Selbstbestimmtheit machten Eindruck. Auf verschiedene Weisen – Marlene Dietrich nutzte sie für ihre subtil-erotischen Looks; Katherine Hepburn bevorzugte Hosen wegen ihrer Bequemlichkeit. Und Hingucker waren die Outfits von beiden alle Male!

Ein Hingucker-Effekt, an dem sich bis heute nicht viel geändert hat. Ob

  • Cara Delevinge,
  • Kristen Stewart,
  • Pink,
  • Tilda Swinton,
  • Ellen DeGeneres und
  • Annie Lennox

auf Frauen- oder

  • David Bowie,
  • Prince,
  • Boy George
  • Billy Porter,
  • Jared Leto sowie
  • Jaden Smith

auf Männerseite: Wer sich für ein androgynes Outfit entscheidet, ist dank seiner Optik schnell im Gespräch und kann damit auch auf andere Aspekte seines Tuns aufmerksam machen.

Welcher Körperbau wirkt besonders androgyn? Und mit welchen Kleidungsstücken lässt sich die Wirkung optisch verstärken?

Schmale, tendenziell lange Arme, Beine, Schultern und Hüften, wenig Taille und Oberweite sowie ein insgesamt sportlicher Eindruck: Der H-Typ ist wie für das androgyne Styling gemacht – man denke nur an Frauen wie Cara Delevingne, die das modische Spiel mit der Androgynität gekonnt für sich nutzt.

Natürlich ist immer die grundsätzliche Frage, ob ein entsprechendes Styling und Auftreten überhaupt gewünscht ist oder ob nicht doch die weiblicheren Facetten stärker herausgearbeitet werden wollen. Dies ist beispielsweise mit Twiggy-Kleidern (gerader Schnitt und hoher Halsausschnitt) oder Hänger-Tops beziehungsweise -kleidern möglich.

Doch wenn sich frau für den androgynen Look begeistern kann, gibt es eine ganze Reihe an Optionen, die die optischen Grenzen zwischen Frau und Mann verschwimmen lassen und ein einzigartiges, faszinierendes Gesamtbild ergeben.

In diesem Zusammenhang bietet es sich sehr an, die klassische Gentleman-Mode des 19. und 20. Jahrhunderts mit einigen femininen Details zu kombinieren. Kleidungsstücke, die dabei in keinem Kleiderschrank fehlen dürfen, sind beispielsweise

  • hoch-schließbare Hemden und Blusen,
  • Sakkos oder Blazer und Wesen mit einem maskulinen Schnitt,
  • Bundfalten- und Marlenehosen,
  • Bleistiftröcke,
  • Oxfords, Budapester, Loafer und High Heels,
  • Krawatten, Fliegen und
  • Herrenhüte.

Alternativ ist es selbstverständlich möglich, zu Boyfriend-Jeans, Oversize-Pullovern und Sneakers zu greifen, wenn ein lässigerer Auftritt gefragt ist. Aber Achtung: Frauen und Männer mit einem H-förmigen Statur sollten darauf achten, dass sie nicht zu sehr in ihren Outfits untergehen. Daher ist die Kombination aus einem weiter und einem enger geschnittenen Kleidungsstück für sie günstiger.

Und auch mit einem anderen Körperbau und mehr Kurven darf man sich durchaus für androgyne Outfits entscheiden, da dank ihnen das Spiel mit dem Kontrast von männlichen und weiblichen Attributen sehr deutlich wird. Passgenauigkeit der Kleidungsstücke vorausgesetzt.

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